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Kinder, die von Corona-Ferien sprechen, lieber ausschlafen möchten, anstatt früh aufzustehen und vieles im Kopf haben – aber nicht die Schule. Spielen und Videos schauen stehen einfach höher im Kurs und auf dem Schreibtisch stapeln sich die Arbeitsblätter und Aufgaben.
Eltern, die versuchen, ihre Kinder dazu zu motivieren, dranzubleiben, die Arbeitsblätter zu bearbeiten und zu lernen. Schliesslich ist Schule wichtig, auch wenn es jetzt vielleicht doch keine Noten für die Arbeitsblätter gibt. Wenn da nur nicht immer diese langen Verhandlungen wären… wann wird begonnen, womit wird begonnen, was sollte erledigt werden, bevor es eine Pause gibt.
Kommt Ihnen das aus Ihrem Alltag bekannt vor?
Durch die Schliessungen der Schulen hat sich der Alltag vieler Familien stark verändert und nicht nur das – auch Ihre Elternrolle hat sich verändert. Es ist eine neue, wichtige Aufgabe hinzugekommen: Die umfangreiche Begleitung Ihres Kindes bei der Aneignung von neuen Wissensinhalten und die Strukturierung der Lernprozesse über eine gesamte Schulwoche hinweg. Das ist anders, als Hausaufgaben zu kontrollieren oder für eine Klassenarbeit zu lernen. Es ist anspruchsvoller und anstrengender.
Wir möchten Sie mit einigen Tipps und Strategien dabei unterstützen, diese neue Rolle so gut wie möglich auszuüben. Es muss nicht perfekt sein, aber es kann so gut wie möglich sein.
Wenn auch Sie gerade überwiegend im Home-Office arbeiten, wissen Sie nur zu gut: Zu Hause arbeiten ist nicht leicht. Es gibt überall Ablenkungen von der Arbeit, es ist nicht einfach, die Strukturen beizubehalten und konzentriert zu bleiben. Und genau so geht es auch Ihrem Kind. Die Unmengen von Arbeitsblättern stapeln sich wie ein Berg des Lernens, den es gemeinsam zu erklimmen gilt.
Das Bild eines Berges lässt sich sehr gut nutzen, um das Lernen zu beschreiben. Der Anfang ist eher leicht, dann, wenn man dran ist, wird es beschwerlicher und es kommt ein Tief. Soll man wirklich weitermachen oder doch abbrechen? Und kurz vor dem Ziel noch ein letzter Anstieg. Bergsteigen ist anstrengend – und das ist das Lernen auch. Das trifft ganz besonders dann zu, wenn man ganz auf sich allein gestellt ist. Niemand sollte allein einen Berg besteigen… und Kinder sollten auch in Phasen des selbstregulierten Lernens nicht allein gelassen werden. Und jetzt ist es an Ihnen, mit Ihrem Kind gemeinsam den Berg des Lernens zu besteigen und ihm zu helfen, den Gipfel zu erreichen. Und damit Sie es gemeinsam mit Ihrem Kind erfolgreich bis zum Gipfel schaffen, teilen wir den Berg des Lernens in drei Etappen ein: Die Etappe vor dem Lernen, die Etappe während des Lernens und die Etappe nach dem Lernen.
Alles beginnt vor dem Lernen mit einer guten Vorbereitung und Planung. Wichtige Fragen sind dabei: Welche Aufgaben müssen heute erledigt werden? Womit soll begonnen werden? Was macht am meisten Spass? Wie viel Zeit wird dafür eingeplant und welches Material ist notwendig, um diese Aufgaben zu bearbeiten? Setzen Sie gemeinsam Ziele, die am heutigen Tag erreicht werden sollen. Eine gute Vorbereitung in der Phase vor dem Lernen – also bevor es eigentlich losgeht – ist der Grundstein für den Lernerfolg.
Tipp: Hilfreich ist es, feste Arbeits- und Lernzeiten im Tagesablauf einzuplanen sowie Rituale für den Beginn und das Ende der Arbeits- und Lernphasen zu schaffen. Vielleicht können Sie Rituale aus dem Schulalltag übernehmen oder Sie entwickeln diese gemeinsam mit Ihrem Kind (z.B. ein Lieblingslied für den Start und ein Lied für die Abschlussphase). Richten Sie Ihrem Kind, wenn möglich, einen eigenen kleinen Arbeitsplatz ein. Das macht stolz und vermittelt Wertschätzung und Bedeutung gegenüber seiner Arbeit – den Schulaufgaben. Oder Sie setzen sich gemeinsam an einen grossen Arbeitstisch, an welchem die ganze Familie arbeitet. So wird dem Kind verdeutlicht, dass auch Eltern Ruhe brauchen und konzentriert arbeiten müssen.
Während des Lernens, wenn Ihr Kind mit der Bearbeitung der Schulaufgabe angefangen hat, braucht es Ihre Unterstützung insbesondere dabei, sich nicht ablenken zu lassen und dranzubleiben. Schliesslich gibt es zu Hause mindestens so viele Ablenker wie in der Schule – wenn nicht sogar einige mehr.
Tipp: Versuchen Sie, die Arbeits- und Lernzeiten möglichst frei von Störungen zu halten, um Unterbrechungen zu vermeiden. Das Handy kann ausbleiben – so, wie in der Schule. Das gilt auch für den Fernseher und Tablets. Dabei kann es hilfreich sein, einen festen Zeitraum am Tag als „handy- und tabletfreie Zeit“ zu bestimmen. Ausnahmen gibt es nur für die arbeitsbezogene Nutzung bzw. Nutzung für die Schule. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. So helfen Sie Ihrem Kind, sich an die Absprachen zu halten. Vielleicht machen Sie sich auch gemeinsam auf die Suche nach Zeitdieben, die Sie spielerisch bei der Tat ertappen und dann ausschalten können.
Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass die Motivation beim Bearbeiten von Schulaufgaben nachlässt. Warum sollte es zu Hause anders sein als in der Schule?
Tipp: Fördern Sie die Motivation Ihres Kindes, in dem Sie kleine Wettbewerbe in die Bearbeitung der Aufgaben einbauen. Dies kann spielerisch einen zusätzlichen Ansporn erzeugen und Ihr Kind schnell wieder zur Sache bringen. Manchmal sind die Aufgaben dann ganz fix abgeschlossen.
Wirklich schwierig kann es werden, wenn Ihr Kind mit einer Schulaufgabe überhaupt nicht weiterkommt und Verzweiflung, Ärger oder sogar Wut überhandnehmen.
Tipp: In solchen Situationen kann es hilfreich sein, diese Aufgabe für den Moment „ruhen“ zu lassen und nach einer kurzen Pause zunächst mit einer anderen Schulaufgabe oder einem anderen Unterrichtsfach weiterzumachen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann man sich dann wieder mit etwas mehr Ruhe und dem guten Gefühl, vieles andere schon geschafft zu haben, der kniffligen Aufgabe widmen. Nicht selten findet man dann schnell die Stelle, die einen zuvor blockiert hat – und wenn nicht, so sind zumindest die anderen Aufgaben bearbeitet.
Die Zeit nach dem Lernen bietet Chancen, die oft ungenutzt bleiben. Der erste Gedanke ist oft: So schnell wie möglich raus an die Sonne zum Spielen oder auf das Sofa und ein Video schauen. Das ist ganz normal und sehr gut nachvollziehbar. Doch wie können Sie diese wertvolle Zeit mit Ihrem Kind bestmöglich nutzen? Indem Sie direkt nach dem Bearbeiten der Schulaufgaben oder nach einer kurzen Pause, z. B. vor dem Abendessen, noch einmal mit Ihrem Kind über den „Schultag“ sprechen und es zum Nachdenken anregen. Vielleicht nicht jeden Tag, aber regelmässig etwa drei Mal in der Woche.
Tipp: Fragen Sie Ihr Kind, wie es ihm an diesem „Schultag“ ergangen ist. War es zufrieden? Und wenn ja, womit? Gibt es etwas, das nicht so gut geklappt hat oder mit dem Ihr Kind unzufrieden ist? Was war das? Welche Ziele wurden erreicht? Was ist noch nicht erledigt? Auch Sie dürfen Ihre Einschätzungen zu diesen Fragen einbringen. Denken Sie gemeinsam darüber nach, wie der nächste Schultag gestaltet werden soll. Was steht an? Was soll beibehalten werden? Was möchten Sie gemeinsam ändern? Welche Verantwortung kann Ihr Kind übernehmen und wie können Sie es unterstützen? Durch das gemeinsame Nachdenken nehmen Sie Einfluss auf die Gestaltung des nächsten „Schultags“.
Ein besonderes Potenzial für das Lernen liegt in einer Sache, die wir alle weniger gerne mögen: in den kleineren und grösseren Fehlern, die wir machen. Nutzen Sie diese Chance gemeinsam und eröffnen Sie Ihrem Kind eine neue Perspektive auf Fehler. Anders als in der Klassenarbeit müssen Sie keine Punktabzüge vergeben und Noten festlegen.
Tipp: Regen Sie Ihr Kind dazu an, in Fehlern eine Lernchance zu sehen. Werden Sie gemeinsam zu Fehlerdetektiven: Welche Fehler werden häufiger gemacht? Und wie kommen sie zustande? Sind es eher Flüchtigkeitsfehler oder fehlt es an wichtigem Vorwissen? Passieren die Fehler eher am Anfang der Bearbeitung der Schulaufgaben oder treten sie am Ende auf? Können Sie eine Systematik erkennen? Was könnte dazu beitragen, dass die Fehler beim nächsten Mal weniger werden oder gar nicht mehr auftreten?
Wenn Sie sich nun gemeinsam auf den Weg machen, kann es trotz guter Vorbereitung passieren, dass es nicht ganz reibungslos klappt und kleine oder grössere Konflikte auftreten.
Dies passiert insbesondere dann, wenn die Balance zwischen den Bedürfnissen Ihres Kindes und Ihrer Unterstützung verloren geht. D.h., wenn Sie weniger unterstützen, als Ihr Kind es wünscht oder benötigt bzw., wenn Sie mehr unterstützen, als Ihr Kind es wünscht oder benötigt.
Tipp: Es kann hilfreich sein, Ihr Kind zunächst beim Lernen und Arbeiten zu beobachten, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie es vorgeht und welche Strategien es mitbringt. Es ist nicht leicht, sich zurückzuhalten, wenn ihr Kind mal nicht weiterkommt, aber es lohnt sich.
Sie lernen sehr viel über Ihr Kind und können Ihre Unterstützung darauf aufbauen. Verstärken Sie die Strategien, die Ihr Kind bereits erfolgreich anwendet – das macht ihm Mut. Verändern Sie gemeinsam mit ihm Strategien, die nur bedingt erfolgreich sind und entwickeln Sie neue Vorgehensweisen – das gibt ihm Optionen. Und unterstützen Sie es dabei, Strategien abzulegen, die nicht zum Erfolg führen – das gibt ihm Sicherheit.
Tipp: Bauen Sie das Selbstvertrauen Ihres Kindes in die Fähigkeit zum erfolgreichen, selbstregulierten Lernen in Corona-Zeiten und darüber hinaus auf, in dem Sie ihm behutsam Verantwortung übergeben und es unterstützen, wenn es Ihre Hilfe braucht. Versuchen Sie, ein Wechselspiel zwischen Verantwortungsübergabe an Ihr Kind und Hilfestellung durch Sie aufzubauen, das sich an den Bedürfnissen Ihres Kindes orientiert.
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